Fleischkunde
Die genaue Kenntnis vom Grundprodukt ist unerlässlich für die Zubereitung und ein perfektes Endergebnis
Im Beitrag Wild – Ein hochwertiges Lebensmittel habe ich mich mit der Herkunft und dem Lebensmittel Wild beschäftigt. In diesem Beitrag geht es darum, das Produkt Wildfleisch für die Verarbeitung in der Küche besser kennenzulernen.
Ich verwende das Wildfleisch fast ausschließlich für die direkte Zubereitung, d.h. das Fleisch wird nicht zu Hack oder Wurst oder ähnliches weiter verarbeitet . Ein paar Abschnitte gibt es immer, die dann zu einem Burger oder ein paar Frikadellen verarbeitet werden, das sind aber weniger als 5% des Fleisches.
Mir ist es wichtig alle Fleischpartien des Tieres direkt in der Küche zu verarbeiten. Da die unterschiedlichen Partien aber sehr unterschiedlich sind in Beschaffenheit und damit auch der Zubereitungsart, ist eine Kenntnis der verschiedenen Fleischpartien unerlässlich.
Um die Kenntnis dafür zu vermitteln, habe ich ein Reh in sämtliche Teile zerlegt und in zweierlei Weise aufbereitet:
- nach Ort des Fleischstücks im Wildkörper,
- danach wie edel ein Stück ist
Wobei mir letztere Einordnung irgendwie nicht gefällt, denn jedes Fleischstück ist auf seine eigene Art und Weise edel und lässt sich bei entsprechender Zubereitung in perfekte (und edle) Ergebnisse verwandeln. Das gilt sowohl für das kurzgebratene feine und zarte Filet als auch die lange geschmorte schmelzend zarte Haxe. Und das ist die dritte Einordnung: die Art der Zubereitung.
Die Fleischpartien im Wildkörper
Die folgende Darstellung zeigt die verschiedenen Fleischpartien im Wildkörper:
Dabei habe ich bis auf den Hals das Fleisch von allen Knochen befreit und in küchenfertige Einzelteile zerlegt. Die Teile entsprechen auch überwiegend den einzelnen Muskelpartien. Hier zeigt sich vor allem, dass die Rehkeule viel mehr zu bieten hat als im Ganzen zubereitet zu werden. Ausgelöst in einzelne Muskelpartien bietet sich eine Vielzahl von Möglichkeiten in der Zubereitung und es sind meist küchengerechte Portionsgrößen von 100-400g pro Stück.
Von Filet und Rücken bis Hals und Haxe
Die folgende Darstellung ordnet die einzelnen Fleischpartien danach an, wie (vermeintlich) edel die einzelnen Stücke sind.
Es beginnt bei den Filets (1) und dem Rehrücken (2) und geht weiter über die Einzelteile der Keule. Das sind in der Reihenfolge Oberschale (3), Semerrolle (4), Unterschale (5), Hüfte, hier mit Bürgermeisterstück (6) und Nuss (7).
Gefolgt wird die Keule von den ausgelösten Schultern (8) sowie zuletzt Haxen von Vorderlauf und Hinterlauf (9) und Hals (10) .
Verwendung der einzelnen Fleischpartien vom Reh
In den folgenden Beschreibungen gehe ich darauf ein, wie die einzelnen Fleischpartien zubereitet werden können. Detaillierte Beschreibungen findest du dann in den Rezepten oder im Beitrag Zubereitung von Wildfleisch.
Die Filets von Reh haben ein sehr zartes, wenig faseriges Fleisch und eignen sich perfekt zum Kurzbraten. Z.B. als schneller Snack in der Küche nebenbei oder zum Salat. Aber auch als mit dem Messer geschnittenes Tartar eignet es sich perfekt.
Der Rücken beim Reh ist sehr ähnlich zum Filet, hat aber eine etwas kräftigere Faser und ist absolut fettfrei. Im Ganzen oder als Medaillons kurzbraten oder grillen bringen die besten Ergebnisse. Man kann natürlich auch den Rehrücken als klassischen Braten am Knochen zubereiten, ausgelöst ist der Rücken aber vielseitiger verwendbar, schneller zubereitet und der Garpunkt einfacher zu steuern.
Auch zu rohem Schinken lässt sich der Rehrücken sehr gut verarbeiten.
Die Oberschale aus der Keule ist nicht ganz so fein wie der Rücken und lässt sich sehr gut als Ganzes grillen oder braten und anschließend in Tranchen aufschneiden. Wird die Kerntemperatur zu hoch, kann es aber schnell trocken werden. Da die Oberschale der größte Einzelmuskel beim Reh ist, kann man sie auch perfekt für Schnitzel verwenden.
Außerdem eignet sich die Oberschale aufgrund ihrer Größe sehr gut für rohen Schinken.
Die Semerrolle ist der kleinste Muskel in der Rehkeule und sie kann sowohl kurzgebraten als auch gegrillt werden. In Würfel geschnitten eignet sie sich auch gut als Spieß zum Grillen.
Die Unterschale kann eigentlich genau so wie die Oberschale zum Kurzbraten und Grillen verwendet werden. Das Fleisch ist feinfaserig und ohne Sehnen. Auch hier ist mit Vorsicht zu arbeiten, da das Fleisch trocken wird, wenn die Kerntemperatur zu hoch wird.
Die Hüfte (und links mit Bürgermeisterstück) landet bei den meisten im Hack und in der Wurst. Dabei ist sie besonders saftig und aromatisch. Eigentlich besteht die Hüfte nur aus dem kleineren runden rechten Teil. Da sie beim Reh aber so klein ist, lasse ich immer noch das Bürgermeisterstück dran. Zusammen sind sie perfekt zum Grillen oder Kurzgebraten geeignet.
Die Nuss ist für mich immer am schwierigsten zu verarbeiten. Sie besteht aus einzelnen Muskelpartien, die teilweise feine Häute dazwischen haben. Aufgrund der Form ist sie nicht einfach zu Grillen oder zu Braten, als Medaillons oder Schnitzel eignet sie sich wegen der einzelnen Muskelpartien ebenfalls nicht so gut. Ich erziele aber recht gute Ergebnisse beim Grillen, indem ich die Nuss von einer Seite etwas “öffne” damit die Nuss flacher wird. Nach dem Grillen in dünne Tranchen aufgeschnitten spürte man die dünnen Häute kaum noch.
Aber die Nuss eignet sich sehr gut für rohen und auch gekochten Schinken.
Die Schulter besteht aus vielen einzelnen Muskeln die mit feinen Häuten und Sehnen durchzogen sind. Ich entferne diese beim Zerlegen nie. Auch das Fleisch an sich hat viel Kollagen in den Muskelfaser und eignet sich nicht zum Kurzbraten. Beim langen Schmoren spielt die Schulter ihr ganze Stärke aus. Denn dann lösen sich Häute, Sehen und Kollagen auf, machen das Fleisch schmelzend zart und liefern eine schmackhafte Sauce.
Die Haxe, das vermeintlich unedelste Stück landet meist auch in der Wurst, ist aber für mich ein echter Leckerbissen. Bei entsprechend langer Schmorzeit wird das Fleisch sehr zart, lässt sich anschließend zerrupfen und sozusagen als Pulled Reh und ähnlichen verwenden.
Die Haxen passen aber auch sehr gut in die Suppe, wenn man Knochen auskocht. Das Fleisch ist dann in der Suppe besonders weich und schmackhaft.
Auch der Hals geht meist in Wurst oder Hackfleisch. Es ist aber etwas mühsam das Fleisch vom Knochen zu lösen. Daher lege ich ihn meist mit in die Suppe wenn ich Knochen auskoche, er bildet eine sehr gute Fleischeinlage für die Suppe. Das Fleisch lässt sich nach entsprechender Kochzeit einfach vom Knochen pulen.
Ansonsten kann das Fleisch vom Hals natürlich genau so wie die Haxe langsam geschmort verwendet werden.
One Comment
Georg v. Hantelmann
lieber jasper ,
vielen dank für deine ideen ,experimente , bewertungen , etc.
und daß du alles veröffentlicht hast , ist ja auch sehr viel arbeit.
ich werde meine “kochkünste” umgehend verändern , verbessern,
herzliche grüße,
georg